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Newsletter – April 2020: Thema „Die Welt im Wandel“ (Online-Version anschauen)

Vollständige Artikel:

Der achtsame Umgang mit der Corona-Situation

(Autorin Wan Fung Got)

Was zunächst weit entfernt von uns erschien, als uns die ersten Meldungen über ein Virus in Wuhan erreichten, hat plötzlich Einfluss auf unser aller Leben genommen. Am 11. März 2020 hat die WHO die weltweite Ausbreitung des neuen Corona-Virus zu einer Pandemie erklärt. Es ist eine noch nie dagewesene Situation, die sich auf alle Bereiche des Lebens auswirkt und von der jeder einzelne betroffen ist.

Wie können wir mit der aktuellen Lage umgehen, die wir als bedrohlich empfinden, in der wir uns hilflos und ausgeliefert fühlen? Vielleicht erfahren wir bereits direkte Auswirkungen, weil wir zum Beispiel finanzielle Einbußen erleiden oder uns auf emotionaler Ebene durch die angeordnete soziale Distanzierung isoliert fühlen.

Die Achtsamkeitspraxis führt uns zum gegenwärtigen Augenblick. Sie verhilft uns dazu, unseren Gedanken und auch Gefühlen gegenüber bewusst zu werden. Statt von der Informationsflut zum Corona-Virus beeinflusst zu werden, indem sie noch mehr Ängste schürt und unser Immunsystem beeinträchtigt, können wir einen Schritt zurücktreten und unsere Gedanken beobachten. Wir können bewusst wählen, welchen Weg wir gehen wollen: den Weg der Angst und Panik oder den Weg des Akzeptierens und des Vertrauens. Wenn wir uns bewusst für den Weg des Akzeptierens und Vertrauens entscheiden, wird es uns sofort auf eine neue Ebene bringen: Wir werden uns freier und besser fühlen, weil wir uns nicht mehr mit der Angst verbinden. Wir erkennen, dass wir immer die Wahl haben und dass jede Krise auch eine Chance mit sich bringt. Wir wissen, dass nichts für immer ist und damit auch die Corona-Krise. Und wir wissen, dass wir im Außen nichts kontrollieren, aber wir unser eigenes Leben selber gestalten können.
Wir können und sollten über die aktuelle Corona-Situation informiert bleiben, die Schutzmaßnahmen gegen eine Infektion und die gesetzlichen Anordnungen befolgen, gleichzeitig können wir durch das bewusste Akzeptieren unsere Perspektive wechseln: Die unfreiwillige Auszeit und die soziale Distanzierung können uns neue Möglichkeiten und Freiräume bieten. Daheim können wir beispielsweise wieder mehr Zeit mit den Kindern verbringen, uns unseren Hobbies widmen, Freunde kontaktieren, die wir in der Vergangenheit vernachlässigt haben, und und und.

Und sollten wir Ängste verspüren, so können wir Achtsamkeit praktizieren:
Ziehe dich zurück, setze dich bequem hin, schließe deine Augen, nimm ein paar tiefe Atemzüge und spüre, dass du in die Entspannung gehst. Richte deine Aufmerksamkeit nun nach innen. Spüre zunächst deinen ganzen Körper. Nehme wahr, wie du in diesem Augenblick auf einem Stuhl sitzt und die Hände im Schoß liegen; nehme deine Füße wahr, die auf dem Boden stehen… Nun richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Geist. Beginne damit, deine Gedanken zu beobachten, ohne über sie zu urteilen. Lasse deine Gedanken einfach fließen; es gibt nichts zu kontrollieren. Wenn Emotionen wie Ängste zum Vorschein kommen, nimm auch diese einfach wahr ohne Bewertung. Indem du die Perspektive eines neutralen Beobachters einnimmst, wirst du dich nicht mehr mit diesen Emotionen identifizieren. Du wirst spüren, dass das Gefühl der Angst immer mehr verblasst… Zum Abschluss richte deine Aufmerksamkeit auf das Schöne in deinem Leben. Bedanke dich für alles in deinem Leben. Nimm das tiefe Gefühl der Dankbarkeit in deinem Herzen bewusst wahr. Mit einem Lächeln öffnest du langsam wieder die Augen. Vertraue darauf, dass der Sturm vorübergehen wird und du darüber hinauswachsen wirst.

 

Vom Segen des Innehaltens

(Autorin Luise Kohl-Hajek)

Was gerade geschieht, ist nicht zu fassen. Die Welt scheint aus dem Lot geraten zu sein. Der Himmel ist des Tags von einem strahlenden, zarten Blau, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Nachts erleben wir einen grandiosen Sternenhimmel, wie man ihn sonst höchstens in Lappland sehen kann.
Seit Wochen spüre ich deutlicher denn je, wie sehr Informationen die Welt bestimmen. Und wie sehr die Aufmerksamkeit – meine und die aller anderen – die Energie lenkt.

„Die Energie folgt der Aufmerksamkeit“, eines der Grundprinzipien in der Zhineng Qigong Theorie zeigt sich gerade überdeutlich ganz persönlich für mich und auf kollektiver Ebene.

In den Medien gibt es so gut wie nur ein Thema, als sei der Rest der Probleme dieser Welt über Nacht verschwunden. Die unaufhörliche Nennung von Infektionszahlen und Sterberaten, tägliche Podcasts und Mitteilungen von Virologen, die der Bevölkerung das Gefühl von Transparenz und Partizipation geben sollen, Informationen aus aller Welt in der Tagesschau – aus den Elendsvierteln Südamerikas und Afrikas ebenso wie aus den leergefegten Metropolen – vermitteln erstmals das Gefühl: wir sitzen wirklich alle im selben Boot. CoVid 19 kann jeden treffen, unabhängig vom Wohnort, Land, von sozialem Stand, Bildung, Ethnie- so wie der Tod selbst auch irgendwann jeden von uns treffen wird.

Gewiss, es gab schon lange das drängende Problem des Klimawandels, das ebenfalls alle betrifft. Doch solange die Auswirkungen nicht alle mit gleicher, unvorhersehbarer Härte und vor allem jeden ausnahmslos SOFORT treffen können, beschränken sich Regierungen leicht auf Ankündigungen, bestimmte Klimaziele erreichen zu wollen. Zu wichtig ist, dass die Wirtschaft boomt, dass die Kaufkraft erhalten bleibt, dass das System der Profitmaximierung nicht zum Erliegen kommt.
Jetzt also ist möglich, was sonst nicht möglich erschien: die Welt hält inne! Weltweit wurde fast der komplette Flugverkehr eingestellt. Von heute auf morgen wurden Läden, Restaurants, Kinos, Theater und Opernhäuser, Firmen und selbst alle Kirchen und Moscheen geschlossen.

Der amerikanische Philosoph Charles Eisenstein schreibt in seinem hervorragenden Essay mit dem Titel „The Coronation“ (die Krönung):
„Covid-19 zeigt uns, dass, wenn die Menschheit in einer gemeinsamen Sache vereint ist, phänomenal schnelle Veränderungen möglich sind. Keines der Probleme der Welt ist technisch schwer zu lösen; sie stammen aus menschlicher Meinungsverschiedenheit. In Wahrheit sind die schöpferischen Kräfte der Menschheit grenzenlos. Vor einigen Monaten wäre ein Vorschlag, den kommerziellen Flugverkehr einzustellen, absurd erschienen. Das gilt ebenso für die radikalen Veränderungen, die wir in unserem Sozialverhalten, unserer Wirtschaft und der Rolle der Regierung in unserem Leben vornehmen. Covid demonstriert die Macht unseres kollektiven Willens, wenn wir uns über das Wichtige einig sind. Was könnten wir in der Zusammenarbeit noch erreichen? Was wollen wir erreichen, und welche Welt sollen wir schaffen? Das ist immer die nächste Frage, wenn jemand zu seiner Macht erwacht.“ (übersetzt aus dem Englischen, https://charleseisenstein.org/essays/the-coronation/)

Wir stehen wohl tatsächlich an einem Scheidepunkt – global und kollektiv als Menschheit -und da sich alles ineinander spiegelt, auch jede und jeder individuell.
Viele – nicht alle, dessen bin ich mir bewusst – haben in diesen Wochen viel mehr Zeit als sonst üblich. Einige meiner Bekannten und Freunde genießen diese Entschleunigung sehr, andere sehnen sich nach Kontakt.
Es ist sicher gut, endlich mal Zeit zu haben, um das Haus gründlich aufzuräumen und zu renovieren und den Garten zu bestellen. Doch wir können diese Zeit des äußeren Shutdowns auch nutzen, um innerlich aufzuräumen und unseren „inneren Garten zu bestellen“, neue Samen zu legen und Visionen zu entwickeln.

Das könnte bedeuten, aufzuräumen mit Ängsten, Misstrauen und Opferhaltung – alten Denkmustern und Überzeugungen, die aus unseren Erfahrungen und Prägungen herrühren und uns in immer gleichen Gedankenkarussells und Verhaltensweisen gefangen halten. Aufräumen auch in Bezug auf die widersprüchlichen und verwirrenden Informationen, die uns täglich erreichen über die sozialen Medien bezüglich der Hintergründe und Auswirkungen des weltweiten Shutdowns.
Beim Aufräumen ist es wichtig, erst einmal zu sichten. Dafür braucht es Zeit. Dabei stoßen wir mitunter auf allerlei Überraschendes, Erinnerungen – angenehme und weniger angenehme -, die wiederum entsprechende Emotionen auslösen. Es ist gut, wenn wir diese jetzt da sein lassen können. Endlich ist Zeit dafür, Zeit für Mitgefühl mit uns selbst. Verständnis haben für unsere eigene Verzagtheit, für das, was wir schon lange schaffen wollten, aber nie gewagt haben, für die Träume, die wir insgeheim hegten, aber an deren Verwirklichung wir immer nur halbherzig glaubten, für die Entscheidungen, die wir nicht getroffen haben. Verständnis haben für unsere eigene Schwäche, unsere Gefühle von Hilflosigkeit und Angst.
Wir können in all dem inneren Durcheinander wunderbar das Navigieren üben. Um ein Schiff sicher übers Meer zu navigieren, muss man zuerst dafür sorgen, dass es nicht versinkt. Das bedeutet, wir üben, nicht in Emotionen zu versinken, in Angst, Selbstanklagen, Selbstzweifeln, in Wut und Unterstellungen, Anklage und Verurteilung. Wir sitzen einfach still und beobachten.

Wir sehen das Chaos, das uns ins Leiden führt und unseren Körper schwächt, wenn wir den aufsteigenden Emotionen erlauben, sich in uns auszutoben. Wir besinnen uns, wir entscheiden uns, fürsorglich zu sein für uns selbst. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit auf das, was uns stärkt und unser Herz froh sein lässt.

Wenn wir in Stille sitzen, verbinden wir uns mit unserem Atem. Wir fühlen in unseren Körper hinein. Wir fühlen den Boden unter uns und den weiten Himmel über uns und um uns herum. Wir fühlen die Natur, in der, ungeachtet weltweiter Angst und Panik, jetzt alles üppig grünt und blüht.
Wir sitzen in Stille und fühlen die Verbindung zu allem. Wir sind eins mit uns selbst, eins mit allem.
Es gibt nur noch diese Information. In den 8 Versen heißt es: „Y nian bu Qi“ (nur ein Gedanke).
Dass wir uns täglich Zeit nehmen, um diesen Zustand der Einheit zu fühlen, war nie so wichtig wie heute!

Wenden wir an, was wir gelernt haben, für uns selbst und für alle anderen um uns herum. Und verzeihen wir uns, wenn wir uns übermannen lassen von Informationen und Emotionen, um uns dann wieder zu erinnern an die Haltung, die wir im Zhineng Qigong immer wieder geübt haben, dieses „In der Welt, aber nicht von der Welt sein“, von dem auch Jesus spricht.
Es gibt so viele Möglichkeiten, täglich Online Zhineng Qigong zu praktizieren für alle, die vor der Technik nicht zurückschrecken. Und es gibt immer auch die Möglichkeit, für sich allein zu praktizieren und sich in das gemeinschaftliche Qifeld „einzuloggen“, was nichts anderes bedeutet, als sich dieser unsichtbaren Kraft, die immer um uns und in uns ist, bewusst zu werden. Indem wir unsere Aufmerksamkeit auf sie lenken, wird sie uns zuteil. Auch da gibt es ein Wort Jesu, das mir in diesen Tagen immer wieder in den Sinn kam: „Wo dein Schatz [deine Aufmerksamkeit] ist, da ist auch dein Herz“ (Matthäus 6/21)

Wir können allen Viren und Verwirrungen der Welt begegnen, wenn wir unser Herz klären und öffnen für uns selbst, für andere und für die Welt und alle Wesen.
Nur reicht es nicht, das EINmal zu tun.

Tägliches Aufräumen – also sichten, Entscheidungen treffen, was wir noch brauchen und was wir loslassen wollen und dann tun – ist notwendig. Uns täglich diese Zeit der Stille schenken, am besten bereits am Morgen, bevor wir auf andere treffen oder mit unserem täglichen Ablauf beginnen. Uns jeden Morgen sammeln, klären, reinigen, die Verbundenheit spüren und unseren Körper, den Tempel unserer Seele bewegen und durchlässig machen. Selten hatten viele von uns so viel Zeit, sich diesen Raum für sich zu nehmen. Nutzen wir diese uns geschenkte Zeit, in der die tausend Ablenkungen im Außen wegfallen, um nach innen zu gehen und uns von innen zu stärken!

Vielleicht noch mit ungläubigem Staunen nehmen wir in dieser Situation des plötzlichen Anhaltens der ganzen Welt wahr, dass wir als Menschheit und als Einzelner eine Wahl haben – und immer schon hatten. Dass wir keine Opfer sind, sondern Schöpfer unserer Wirklichkeit. Und dass wir uns Fragen stellen können, Fragen, die den Kern unseres Seins und unseres Zusammenlebens betreffen.

Diese Fragen müssen wir für uns finden. Es könnten Fragen sein wie diese: Wer bin ich/sind wir wirklich? In was für einer Welt möchte ich/ möchten wir leben? Wie kann ich/ können wir anderen/einander dienen?
Wichtig erscheint mir, dass wir diese Fragen, die essentiell sind für unser Überleben, nicht nur Politikern und Wirtschaftsunternehmen überlassen, sondern, dass jeder seine eigenen Lebensfragen stellt. Wichtig ist auch, dass wir nicht kurzerhand Antworten übernehmen, die uns vorgegeben werden, ohne die dahinterstehenden Fragen zu kennen. Es kann nicht sein, dass die einzig relevante Frage lautet: „Wie sterben möglichst wenige an CoVid 19 und an möglichen Nachfolgeviren“? und die einzige kollektive Antwort die ständig aufs Neue praktizierte gesellschaftliche und soziale Abschottung ist. Es kann nicht in erster Linie die Frage sein, wie wir uns vor dem Tod schützen können, sondern wie wir leben wollen. Das gibt uns die Entscheidung zurück und führt uns heraus aus Angst und Opferhaltung. Eine neue Kultur des Herzens, der Mitmenschlichkeit und Verbundenheit beginnt immer dort, wo wir uns als Menschen aufrichten, unser Herz öffnen, aus der Liebe heraus handeln und uns unseres Potenzials und unserer Macht bewusst werden.

„Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich“, lautet der Titel eines Buches von Charles Eisenstein. Sie ist bereits da, wenn wir sie in uns lebendig fühlen.
So wie eine Gärtnerin den blühenden Garten, das üppige, wohlschmeckende Gemüse bereits sehen kann, wenn sie die Erde lockert, die Saatrillen zieht und die winzigen Samenkörner in die Erde legt, legen auch wir den Samen des Neuen in unser Herz und unseren Geist. Wir geben die guten Informationen hinein. Wir erwarten geduldig und voller Vertrauen den Aufgang der Saat. Wir hegen und pflegen die zarten Pflänzchen unseres neuen Denkens und Fühlens und schützen sie – wie eine gute Gärtnerin/ein guter Gärtner die Pflänzchen vor Nachtfrösten und Verdorren schützt – vor allem, was uns zurückziehen will in alte Gewohnheiten. Schritt für Schritt verwandeln wir uns, von innen, aus der stillen Mitte unseres Herzens heraus.

Im 54. Vers des Tao Te King des großen chinesischen Weisen Laotse heißt es:

„Wenn wir diesen Weg beständig gehen, können Ereignisse uns nicht erschüttern. Wenn wir ihn in unser Herz aufnehmen, dient das noch dem Wohl unserer Kinder und Kindeskinder.
Dieser Weg führt uns zu unserem wahren Selbst zurück. Er beschert unseren Familien Freude im Überfluss. Er beschert unseren Gemeinschaften ein dauerhaftes Vermächtnis. Er beschert unseren Ländern wahren Wohlstand.
Alles was ist, ist Ausdruck dieses Weges. Darum üben wir Achtsamkeit in jedem Augenblick. Wir sehen uns selbst in jedem Menschen, dem wir begegnen. Die ganze Welt wird unsere Familie, unsere Gemeinschaft, unser Land.
Wie machen wir diese Entdeckung? Indem wir still sitzen und nach innen schauen.“ („Der Weg der Weisheit“, Das Tao Te King für den Alltag, Richard Martin, 2009)

 

 

Newsletter – März 2019: Thema „Bewusstsein“ (Online-Version anschauen)

Newsletter – Juli 2019: Thema „Qigong-Zentren & Heilung“ (Online-Version anschauen)